Altes Mütterchen
N 46°18'06.2'' E 028°39'14.2''Von unserer Unterkunft aus mache ich mich auf den Weg in ein Internetcafe. Ich staunte bei meinem gestrigen Besuch bereits. Gute Computer, saubere Plätze und Klimaanlage. …hatte ich ja schon so meine Erlebnisse in Rumänien, wie zum Beispiel, dass es keine Buchstaben mehr auf der Tastatur gab. Auch völlig unscharfe Bildschirme gibt es immer wieder. Am unangenehmsten ist es, wenn Kinder Krieg spielen. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Kleinen sich mit einem Computer auskennen noch dazu, dass sie diese grauenhaften Spiele beherrschen. Bis dato kannte ich diese nur vom Hören sagen. Es heißt, sie seien angeblich nicht so schlimm. Mich lehren sie das Fürchten. Mehr als einiges andere. Aber dies nur am Rande. Ich wünschte ich könnte hier und weltweit etwas ändern.
…Also ich bin auf meinem Weg durch die Stadt Comrat. Alles ist wie ausgestorben, wegen der enormen Hitze. Ein altes Mütterchen kommt aus ihrem Hof auf die Straße gelaufen, sie hat mich sofort erspäht und nimmt mich augenblicklich Russisch sprechend in Beschlag. Gerade will ich ihr antworten, nichts verstanden zu haben, als ich erkenne, was sie von mir will. In der einen Hand hält sie eine Nadel, in der anderen einen Faden. Das bedarf nicht vieler Worte. Beim Einfädeln soll ich ihr helfen. “Klar mach ich das für dich”, sage ich ihr. Nun merkt sie doch, dass mit mir was nicht stimmt. “Mit dem Fahrrad sind mein Mann und ich von Deutschland über… bis nach Moldawien gefahren. Nun radeln wir weiter über… bis nach China.” Inzwischen hat sie mich unter einen Baum in den Schatten geschoben und ich habe ihren Faden eingefädelt. Sie blickt mich an und sagt, ich möge ihr zwei Lei für Brot geben. Kurz halte ich inne, denke an die Melonenscheibe, die ich gerade unserer missmutigen Wirtin geschenkt habe. Genau, ein Stück von der Melone, die wir von dem Soldaten bekommen hatten. Ich blicke sie an und denke laut. “Was kann ich dir nun geben?” Sie sieht mich wieder an und sagt: “Du verstehst doch Russisch? Zwei Lei für Chleb. (Brot) Zwei Lei? Das ist doch eine klare Aussage.” Ich gebe ihr die zwei Lei. Das Mütterchen nimmt das Geld in die eine Hand und die Nadel mit dem eingefädelten Fanden in die andere Hand und wackelt zurück in ihre Behausung. Mit dem Bewusstsein, dass die alte Frau hier keinen Stand aufbauen wird, um vor ihrer Tür Touristen abzupassen, blicke ich ihr nach. Dafür gibt es hier viel zu wenige. Wir haben bisher noch keinen getroffen. Nun wackle auch ich bei der Hitze weiter meines Weges. Später erkundige ich mich noch was ein Leib Brot kostet. Etwas mehr als zwei Lei (0,32 Euro), bekomme ich zur Antwort.