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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 1

Psychisches Tief

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    Tag: 50

Herz-Camp — 30.06.2000

Leider ist die Situation unverändert. Mir ist es ein Rätsel warum wir so viel Schwierigkeiten haben. Wir kommen uns vor wie Soldaten im Einsatz, die gleichzeitig an verschiedenen Fronten kämpfen müssen. Das Sattelproblem lässt uns einfach nicht mehr los, der Dauerregen nagt an unseren strapazierten Nerven und die immer wilder werdenden Kamele gefährden unser Leben und Expeditionsprojekt derart, dass es mir schwer fällt über dieses sich ewig wiederholende Drama noch zu berichten. Ich muss mir in den letzten Wochen viel Mühe geben mich nicht in ein psychisches Tief ziehen zu lassen. Die unaufhörliche Angst, dass diese Expedition schon am Anfang scheitern könnte ist einfach belastend. Es macht allerdings auch keinen Sinn sich auf diese Weise das Leben zu verderben oder mir selbst wichtige Qualität meines irdischen Seins zu nehmen. Immer wieder komme ich zu dem Schluss, dass Probleme nichts anderes bedeuten als Aufgabenstellungen oder Hürden, die es zu überwinden gilt. Unser Leben ist geradezu angereichert mit unzähligen solcher Aufgabenstellungen der unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrade.

Gerade in diesem Augenblick, beim Schreiben dieser Zeilen, muss ich mir selbst die Frage stellen warum ich diese Lebensform gewählt habe. Nun, es war meine freie Wahl Australien mit Kamelen durchqueren zu wollen und die Gründe dafür habe ich in der Einleitung des Tagebuches geschrieben. Es ist uns frei gestellt das Handtuch zu werfen und aufzugeben. Doch, und das mag jetzt seltsam klingen, gibt es für mich und auch für Tanja keine Alternative zu unserem Expeditionsleben. Auch, wenn wir durch viele Täler schreiten müssen, wissen wir, dass es gerade im Leben mit der Natur immer wieder wunderbare Höhen gibt, die uns einen 360 Grad Rundblick ermöglichen der mit dem Höhenflug eines Adlers über seinem Nest vergleichbar ist. Dieses und noch unzählig mehr Gründe veranlassen uns weiter zu machen. Es veranlasst uns weiter in eine für uns unbekannte Welt zu laufen, neugierig zu sein, zu forschen, zu beobachten, zu erfahren, zu analysieren, zu riechen, zu schmecken und das Leben in seinen vollen Zügen zu leben, auch wenn es an manchen Tagen ein wenig schmerzhaft ist.

Tanja und ich sitzen gerade am Campfeuer und schneiden, von einigen Interviews unterbrochen, wieder aus den alten Autoschläuchen etwa 4 Zentimeter breite Streifen. Diese Gummistreifen wickle ich dann um die gefährlichen Kanten der L-Rahmen, um die Verletzungsgefahr zu vermindern. Sollte ein Kamel plötzlich aufspringen, könnte es sein, dass einer von uns von dem Rahmen getroffen wird. Über die Konsequenzen möchte ich erst gar nicht nachdenken. Wie auch immer, es ist besser eine erkannte Gefahr im Frühstadium zu eliminieren. Gaumenschmaus am Campfeuer.

Am Abend lege ich große, abgestorbene Äste und Wurzeln auf das niedergebrannte Feuer, als Tanja mich gut gelaunt anspricht. “Lass uns heute etwas besonderes kochen,” “Okay, was schlägst du vor,” antworte ich. “Was hältst du von Brombeeren als Vorspeise, dann einigen Folienkartoffeln und Folienzwiebeln. Dazu Erbsen und Spargel aus der Dose und frischen, heißen Damper (im Campofen oder auch Bedourie gebackenes Brot) mit Butter.” Wauu, klingt ja wie Weihnachten. Haben wir denn Brombeeren und Spargel?“ “Einmal im Monat gibt es einen Leckerbissen und ich finde wir sollten hier an diesem schönen Herzfeuer ein wenig feiern,” antwortet sie lachend. Ich freue mich wie ein kleiner Junge und beginne sofort aus unserem mitgeführtem Mehl einen Teig zu bereiten, um den Damper zu backen. Damit das Brot noch schmackhafter wird, schneide ich Zwiebeln und Knoblauch in den Teig und knete ihn kräftig durch. Dann forme ich eine etwa zwei Zentimeter dicke Scheibe und lege sie auf den mit Mehl bestreuten Boden des stählernen Topfes den ich in die Glut der Feuerstelle setze. Um die richtige Hitze für ein gut gebackenes Brot zu bekommen, schaufele ich noch ein wenig Glut auf den Deckel des Bedourie. Dann warte ich sehnsüchtig auf meine Kreation und beobachte die vor sich hinzüngelnden Flammen des Herzfeuers. Tanja kümmert sich in der Zwischenzeit um das leckere Abendmahl. Nach einiger Zeit zieht ein wunderbarer Duft von gebackenem Brot durch die nächtliche Luft. Ich räume vorsichtig die Glut vom Bedourie, hebe mit einer Zange seinen schweren Stahldeckel ab um zu prüfen ob der Teig fertig ist. “Schau dir das an, besser als bei jedem Bäcker,” sage ich stolz auf den knusprig, gelb braunen Damper deutend. Dann, als auch Tanja mit ihren Köstlichkeiten fertig ist, genießen wir unser Abendessen. Wie so oft betrachten wir den Sternenhimmel als plötzlich ein heller Meteorit die Erdatmosphäre durchbricht und mit seinem hellen Schweif den nächtlichen Himmel erhellt. Tanja nimmt meine Hand und in diesem kurzen Moment wissen wir warum wir soviel Strapazen auf uns nehmen.

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