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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Bedingungslose Gnadenlosigkeit der Trockenheit

N 23°39’35.5’’ E 141°38’50.5’’
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    Tag: 148 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 539

    Sonnenaufgang:
    06:04

    Sonnenuntergang:
    18:36

    Luftlinie:
    24

    Tageskilometer:
    33

    Temperatur - Tag (Maximum):
    36° Grad, in der Sonne ca. 56°

    Temperatur - Nacht:
    9,2° Grad

    Breitengrad:
    23°39’35.5’’

    Längengrad:
    141°38’50.5’’

Mayne River-Camp — 11.10.2002

Heute ist Freitag und Freitag ist im Regelfall unser Interview und Rasttag. Doch da uns die Gidyeabäume hier in diesem Camp nicht genügend Schatten spenden und unseren Jungs kaum etwas zu fressen bieten, müssen wir weiter ziehen. Wir hoffen an einem Seitenarm des Mayne Rivers oder spätestens am Mayne River selbst auf große, ausladende Bäume und genügend Fressbares für unsere Kameraden zu treffen.

Schon seit einigen Tagen laufen wir streckenweise über tiefschwarzes Gestein. Die uns so vertraute rote Erde ist hier völlig verdrängt. Es ist anscheinend das berüchtigte Land der schwarzen Erde vor dem man uns schon vor Jahren gewarnt hat. Obwohl der Untergrund während der anhaltenden Trockenheit hart ist kann ich mir gut vorstellen wie er sich bei Regen in den tückischen Morast verändert aus dem man nie mehr herauskommt. An manchen Stellen ziehen sich tiefe Risse und Falten durch das mit kleinen, flachen Steinen bedeckte Erdreich. Die Sonne beißt uns mit ihren erbarmungslosen Strahlen schon am Morgen in den Nacken. Ihr grelles Licht wird von den schwarzen Steinen reflektiert. Sie glänzen als wären sie mit einem Hauch feinstem Öl besprüht. Fasziniert von ihrem Schimmern und Schillern lasse ich meine Augen über den Untergrund gleiten. Die Kamelfüße knirschen bei jedem Schritt. Im Süden strecken kleine Hügel und Berge ihre dünnen Köpfe in das tiefe Blau des frühsommerlichen Himmels. Mit ihren nach oben spitz zulaufenden Häuptern sehen sie aus wie Minivulkane. Tote Bäume ziehen sich wie Skelette den trockenen Creeks entlang. Auch sie strecken ihre abgestorbenen Stämme und Äste in den blauen Himmel und scheinen nach Regen zu schreien. Für sie kommt jedoch jede Hilfe zu spät. So wie sie aussehen muss sie schon lange der Tot ereilt haben.

An keinem der Creeks wachsen genügend Bäume, um uns einen Rastplatz bieten zu können. Gegen Mittag husche ich die Kamele in der Sonne nieder. Ich hole das Satellitentelefon von Sebastians Sattel und stelle es auf. Während wir auf einen Anruf von ABC Alice Springs warten kauern wir im Halbschatten eines Busches und essen unser Vesper. Der arme Rufus hechelt als würde er unter Asthma leiden. Er darf zwischen Tanja und mir liegen und ist so durch unsere Körper von der Sonne geschützt. Mit etwas Verspätung klingelt das Telefon. Es ist immer noch ein eigenartiges Gefühl hier in der Einsamkeit dieses Ding klingeln zu hören. Obwohl diese Interviews wichtig sind, um den Menschen dort draußen in den Städten dieses Naturparadies beschreiben zu können, bin ich froh es nur einmal in der Woche benutzen zu müssen.

Immer noch auf der Suche nach einem Rastplatz ziehen wir 45 Minuten später weiter. Auf einer flachen Ebene erreichen wir einen Grenzzaun. An einer Stelle ist er halb verfallen. Wieder husche ich unsere Lastenträger nieder, um diesmal ein Interview nach Perth zu geben. In der prallen Sonne sitzend fällt es mir nicht leicht positiv zu sein, doch auch meine Gefühle gehören dazu den Menschen die Welt hier zu beschreiben.

Es dauert nicht lange die altersschwachen Zaunposten umzulegen, um unsere Karawane dann über das rostige Drahtgeflecht zu führen. Endlich erreichen wir eine grüne Baumreihe. „Ich denke wir sollten bis zum Hauptfluss gehen. Dort unten gibt es bestimmt noch kräftigere Sträucher und Bäume,“ überlege ich laut. An einem Damm begegnen wir einer kleinen Rinderherde. „Unbegreiflich wie die hier überleben,“ stelle ich kopfschüttelnd fest. Als wir unsere Jungs mit dem braunen Wasser tränken entdeckt Tanja vier tote Rinder. Sie haben alle einen Draht um den Hals gewickelt und sind höchstwahrscheinlich daran eingegangen. „Schau mal das sind doch Wildscheine die da an den Kadavern fressen, sage ich. „Tatsächlich,“ antwortet Tanja. Zum ersten Mal auf dieser jahrelangen Expeditionsreise durch das Outback sehen wir wilde Schweine. Auch von ihnen wurden irgendwann einmal ein paar freigelassen. Bis heute konnten sie sich so derart vermehren, dass sie, wie viele andere vom weißen Mann eingeführten Tiere, als Plage gelten und abgeschossen werden wann immer man auf sie trifft. „Ihr Fleisch ist häufig von Würmern verseucht. Wir essen sie nicht. Sie fressen verweste Kängurus, Rinder und anderes Aas. Aber ich habe davon gehört das australisches Wildschwein in Europa eine Delikatesse ist. Na wenn die dort auf der anderen Seite so ein Fleisch essen wollen sollen sie es tun,“ erzählte uns ein Ringer.

Nachdem sich unsere Kamele wieder mit 230 Liter den Bauch voll gesoffen haben laufen wir weiter. Wir überschreiten einen Hügel und kommen an den Ufern des ausladenden Mayne Rivers an. Unsere Kräfte sind durch den hochanstrengenden Marsch verzehrt. Vorsichtig ziehe ich unsere Tiere die Uferböschung hinunter. Die Auswaschungen des Flusses sind noch tiefer als die des Diamantina. Große Wurzeln sind von den einstigen Fluten freigelegt und hängen an den steilen Uferwänden nach unten. In ihren bizarren Formen und ihrer Nacktheit brüllen sie geradezu nach Wasser. Manche der großen Bäume werfen ihre vertrockneten Blätter in den heißen Wind. Manche kämpfen sichtbar um ihr Überleben und einige scheinen bereits gestorben zu sein. Verstreute Rindergruppen liegen im Schatten der ganz mächtigen Eukalyptusbäume. Der gesamte Boden ist abgegrast. Nichts Lebendes bedeckt den gemarterten Grund. Abertausende von Hufe stampften das Land zu Staub. Vertrocknete, harte Grasbüschel haben ihr Sein schon lange ausgehaucht. Selbst hier im Zentrum des ausgetrockneten Mayne Riverbetts zeigt die Dürre ihre bedingungslose Gnadenlosigkeit.

Wir sind nun schon seit 7 ½ Stunden unterwegs und haben noch immer keinen Rastplatz gefunden. „Ich glaube ich gebe es auf nach einem geeigneten Lager zu suchen. Es ist wie es ist. Wenn es hart auf hart kommt müssen wir auch morgen weiterlaufen,“ schnaufe ich. Normalerweis wäre es kein Problem auch morgen und übermorgen und an den darauffolgenden Tagen zu marschieren. Nur benötigen unsere Tiere dringend eine Rast. Wir legten in der letzten Zeit bald täglich über 30 Kilometer zurück. Nach unseren Erfahrungen ist diese Distanz für ein schwer beladenes Kamel auf Dauer zu viel. Klar, kann es gut gehen, doch werden sich so Satteldruckstellen entwickeln. Auch können sie sich bei der spärlichen Vegetation kaum satt fressen. Ihre Körper werden uns bald Spuren der Strapazen zeigen. Sie werden zwangsläufig abnehmen und wenn das geschieht müssen wir ihnen die Sattel neu anpassen. Es ist ein sich immer schließender Kreislauf. Wenn es unseren Tieren schlecht geht, geht es auch uns schlecht und anders herum. Wir sind voneinander abhängig. Unabhängig davon bedeutet jeder weitere Lauftag mehr Zeit am Computer. Unter den Witterungsbedingungen hier in der Wildnis also eine große Herausforderung für mein Sitzfleisch und meine Nerven. Beherrschung, Gelassenheit, Ausdauer, Geduld und Überwindung ist angesagt.

„Wir sollten den Seitenarm Richtung Osten folgen. Vielleicht sieht es dort drin besser aus,“ schlägt Tanja vor. „Ich hatte eben das gleiche Gefühl. Okay lass uns nachsehen,“ antworte ich, Sebastian von dem Track herunterführend. Hinter einem leichten Hügel stoßen wir auf die Bäume die uns schon so lange vertraut sind. Eine ganze Allee von Gidyeas windet sich an einem schmalen Creek entlang. „Hier bleiben wir,“ entscheide ich und lasse die Tiere absetzen. Es ist bereits 15:35 Uhr und somit sind wir heute über acht Stunden unterwegs gewesen. Nach meinem Kartenstudium, der Zeit und dem GPS zu schließen, legten wir 33 Kilometer zurück. Bei diesen Temperaturen eine gut Laufleistung.

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