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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Die heilige Stätte der Anangu

N 25°14’36.0’’ E 130°59’34.2’’
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    Sonnenaufgang:
    05:49

    Sonnenuntergang:
    19:31

    Temperatur - Tag (Maximum):
    25 Grad

    Breitengrad:
    25°14’36.0’’

    Längengrad:
    130°59’34.2’’

Uluru (Ayers Rock) — 08.12.2001 – 14.12.2001

Es regnet schon seit Tagen. Der Todd River und andere Flüsse um Alice Springs treten über ihre Ufer und überschwemmen die Straßen. Die Bewohner von Alice Springs sind über den ungewöhnlich frühen Regen überrascht. Trotz der Dauernässe verbringen wir noch ein paar erholsame Tage. Wir sind froh dieser Schlechtwetterfront gerade noch rechtzeitig entwischt zu sein. Ohne Zweifel wären wir dort draußen, in der ewigen Weite der Gibson Wüste, mit unseren Kamelen im Morast versunken.

Am Montag ist unser alter Ford für die lange Fahrt bereit. Wir schlichten ihn mit unserer Ausrüstung und ein wenig Lebensmittel bis unters Dach voll. Rufus bekommt einen eigenen Platz hinterm Fahrersitz und freut sich über unseren Aufbruch am meisten. Als es am frühen Nachmittag endlich losgeht hüpft er schwanzwedelnd auf seinen Sitz und schaut hechelnd aus dem Fenster. Wir verlassen Alice bei strömenden Regen und fahren über den nassen Stuart Highway in Richtung Ayers Rock. Die Regentropfen klatschen gegen die Windschutzscheibe, wir hören Musik und haben in den letzten Monaten unseres Wüstenlebens vergessen wie bequem und angenehm so ein fahrbarer Untersatz ist. Nachdenklich sehe ich aus dem Fenster auf die triefende Ebene aus der sich jetzt einige Berge erheben. Innerhalb nur einer einzigen Stunde legen wir die Strecke eines viertägigen harten Marsches zurück. Die Büsche, Bäume, Berge und Weidefläche flitzen vorbei. Immer mehr wird mir bewusst wieder in die Welt eingedrungen zu sein in die ich einst geboren wurde. Die Expedition, die Kamele und alles was vor wenigen Tagen noch so enorm wichtig war sind in weite Ferne gerückt. Uns kommt es vor als hätte wir die Durchquerung der Great Sandy Desert und der Gibson Desert nur geträumt, als hätten wir uns in eine Zeitmaschine gesetzt, um in einer anderen Welt wieder aufzuwachen. „Wie fühlst du dich?“ ,frag ich Tanja. Ich weiß nicht, ich glaube ich vermisse schon jetzt unsere Kamele.“ „Es ist wirklich eigenartig aber auch ich fühle mich hin und her gerissen. Auf der einen Seite habe ich von all der Anstrengung erst mal die Nase voll und auf der anderen Seite kann ich mir keinen schöneren Ort vorstellen als abends am Campfeuer zu sitzen und das Wiederkauen unsere Jungs zu hören. Am liebsten würde ich wieder zurück in die Wüste gehen,“ antworte ich, worauf wir lange schweigend aus dem Fenster sehen und nahezu lautlos über den schwarzen Asphaltstreifen durch das wilde, ewige Land Australiens rollen.

Es ist bereits dunkel als wir nach 450 Kilometern das Resort am Ayers Rock erreichen. Michael Findlater, der Hubschrauberpilot der uns vor einigen Wochen in der Wüste mit seinem Hubschrauber besuchte, öffnet lachend die Tür. „Kommt herein. Schön das ihr da seid. Ihr habt bestimmt Hunger,“ sagt er und deutet auf die am Herd stehende Pfanne aus der lecker duftende Dämpfe steigen. „Wie die Bären,“ antworte ich und freue mich ihn wieder zu sehen. Später essen wir heißhungrig thailändische Nudeln mit Hühnchen, als plötzlich die Haustür aufgeht und Glen Morey hereinkommt. Glen ist ebenfalls Pilot und teilt sich mit Michael die Wohnung. Wir freuen uns auch von ihm herzlich begrüßt zu werden und erzählen bis spät in die Nacht von unseren Abenteuern.

Michael löst sein Versprechen ein

Am nächsten Morgen besuchen wir Michael in seinem Büro. „Wenn ihr wollt können wir in 10 Minuten fliegen,“ lädt er uns zu einem Rundflug um den Ayers Rock und die Olgas ein. Tanja und ich können es kaum glauben aber 15 Minuten später sitzen wir bereits in einem Hubschrauber. Wir haben Glück, denn die Wolkendecke reißt auf und die Sonne wirft ihre helles Licht auf das Land als Michael den Hubschrauber in Richtung der berühmtesten Natursehenswürdigkeit Australiens steuert. Natürlich haben wir schon viel über diese heilige Stätte der Aborigines gehört und ich glaube sie schon seit langen zu kennen, doch als der in der Sonne glühende Monolith größer wird verschlägt es mir den Atem. „Uluru nennen die hier schon seit Jahrtausenden lebenden Aborigines diesen gewaltigen 348 Meter hohen Fels und als ich auf ihn herabblicke verstehe ich warum er in wenigen Jahrzehnten weltberühmt geworden ist. Stolz und mächtig reckt er seinen majestätischen breiten Rücken aus der endlosen Ebene in den blauen Himmel. Viele seiner gewaltigen, massiven Flanken wölben sich in einem sanft anzusehenden aber steilen 80 Grad Winkel nach unten. Höhlen, Spalten, Löcher, Wellen und Kanten lassen seine Außenhaut wie das faltige Gesicht eines uralten Menschen wirken. Er wirkt selbstsicher, unzerstörbar, ja königlich und ich habe den Eindruck als wäre er der Wächter der unendlichen Wüste die sich zu dieser Jahreszeit wie ein fruchtbarer Garten Eden um ihn bettet. Der erste weiße Mensch der ihn je zu Gesicht bekommen hat war der Entdecker William Christie Gosse. Gosse erreichte den Monolith im Juli 1873 und nannte den größten Monolith der Erde Ayers Rock, um den Gouverneur von Südaustralien Sir Henry Ayers zu ehren. Was für ein Gefühl muss es gewesen sein unerwartet auf solch einen würdevollen, stattlichen Monolith zu stoßen? Nachdem wir knapp 4000 Kilometer durch die Wüsten Australiens zurückgelegt haben bin ich von seinem ungewöhnlichen Anblick fast hypnotisiert.

Am nächsten Tag versteckt sich der Gigant hinter dichte Regenwolken. Wir folgen dem Park Ranger. Der Aborigine erzählt uns von den verschiedenen Pflanzen und wie sein Volk der Anangu diese Gewächse einsetzen, um Wunden zu heilen, um die Schmerzen zu lindern die ein Baby hat, wenn es die ersten Zähne bekommt und wie man sie zubereitet und isst. Ich bin fasziniert von dem Wissen und klebe an seinen Lippen. Wir erfahren einige Mythen und Geschichten die sein Volk mit dem Uluru verbindet. Während er über die Herkunft der Anangu berichtet nimmt mich wieder der Fels in seinen Bann. Es regnet unaufhörlich. Nichts ist von den schönen Postkartenbildern wiederzuerkennen die den Rock in seinem glühenden Rot zeigen. Die ihn zu dem berühmten Naturdenkmal gemacht haben und in ein kaum zu beschreibendes Blau des ewigen Sonnenhimmels Australiens betten. Ganz im Gegenteil wirkt er jetzt dunkel, ja bald schwarz. Überall strömen weiß schäumende Wasserfälle wie Tränen über seine raue Haut, um sich mit lautem Geplätscher in großen Wasserbecken zu sammeln. Der Regen steigert sich von Minute zu Minute und lässt den Fels erglänzen. Es ist ein edler Glanz den ich bisher noch nie in meinem Leben wahr genommen habe. Beeindruckt von diesem mir völlig fremden Aussehen werfe ich meinen Kopf in den Nacken und verfolge die weiß schäumende Wassergischt die sich weit über unseren Köpfen von den Wänden stürzen. Die einen nassen Tropfenvorhang bilden als sie über die Höhlenränder fallen die sich am Fuße der Heiligkeit vor Millionen vor Jahren gebildet haben. Der einnehmende Ranger mit seinem langen Zopf erzählt weiter:

Die Geschichte der Mala

„Am Anfang mussten Malamänner, Frauen und Kinder einen weiten Weg vom Westen und Norden reisen, um den Uluru zu erreichen. Als sie ankommen campen sie an getrennten Stellen in Gruppen von jungen Männern, alten Männer, jungen und unverheirateten Frauen, und alten und verheiratete Frauen. Sie sind hier wegen Inma (religiöse Zeremonie) deshalb tun sie das. Einige Malamänner, die vom Westen kommen, tragen den zeremoniellen Stab, Ngaltawata (nahrl-ta-wahr-tah). Schnell klettern sie auf die Spitze des Uluru, um Inma zu beginnen und stecken den Pfahl an der nördlichsten Ecke in den Boden. Von diesem Moment an ist alles ein Teil der Zeremonie. Auch die alltäglichen Aufgaben wie jagen, sammeln, zubereiten der Nahrung, Wasser holen, sprechen zu Menschen oder einfach nur warten werden wegen der Zeremonie korrekt durchgeführt. Seit Beginn ist dies ein Gesetzt für Männer, Frauen und Kinder. Die Mala sind glücklich und beschäftigt. Auf einmal kommen Leute vom Westen, um die Mala für eine andere Inma einzuladen. Sie müssen die Einladung ablehnen, da sie ihre eigene Zeremonie schon begonnen haben. Wegen der Beleidigung gehen die Menschen vom Westen sehr ärgerlich nachhause. Sie planen eine schreckliche Vergeltung, um den Mala zu schaden. Über das Land kommt eine üble schwarze Hundekreatur: Kurpany. Er wurde von den Leuten im Westen geschaffen, um die Malazeremonie zu zerstören. Lumpa, der Königsfischervogel, ruft eine Warnung zu den Mala. Sie ignorieren die Warnung, worauf Kurpany angreift und viele Mala Männer, Frauen und Kinder tötet. Verfolgt von Kurpany fliehen die übrig gebliebenen Mala entsetzt nach Süden.“

Als die letzten Worte des Aborigine Ranger verhallen tritt eine kurze Stille ein. Die feuchten Höhlenwände scheinen zu atmen, scheinen die soeben erzählte Geschichte schon tausend male vorher gehört zu haben. Für Augenblicke lausche ich gebannt den eigenartigen Geräuschen bis der Ranger über das Verwandtschaftsverhältnis seines Stammes berichtet. Er erklärt mit einfachen Worten, das die Kinder seines Bruders auch seine Kinder sind. Das die Söhne seines Bruders und seine Söhne ebenfalls Brüder sind und er umgekehrt der Vater der Kinder seines Bruders ist. Ich lausche dem Regen, den Wassertropfen, dem lauten Rauschen der Wasserfälle und seiner Stimme die in der Höhle in der wir stehen von den Wänden zurückgeworfen wird und versuche alles zu verstehen. Ich erinnere mich an ein Informationsblatt, welches wir am Eingang des Nationalparks bekommen haben in dem Tjamiwa erzählt: „Die Besucher hören ein wenig über diesen und etwas über jenen Platz, werfen alles in einen Eimer und schütteln diesen. Alles wird zerbrochen und vermischt und dann, wenn sie alles wieder Zuhause in ihrem eigenen Land ausschütten, um sich zu erinnern, wissen sie nicht mehr welches Stück zu welchem gehört. Sie sollten es in ihrem Herzen nach Hause tragen, dann würden sie sich erinnern.“ Ich muss plötzlich schmunzeln, denn ich habe bereits jetzt schon Schwierigkeiten mich an all die Einzelheiten zu erinnern. Auch wenn ich mich schon seit langer Zeit mit dieser Kultur beschäftige ist für mich nur wenig verständlich geworden. Eines beginne ich allerdings zu begreifen: Unsere Welt ist so anders, so derart unterschiedlich, dass ich mich frage wie es jemals gelingen soll die zwei grundverschiedenen Rassen wie die Aborigines und die Weißen zu vereinen? Mir kommt es so vor als bestünde unsere Welt aus hartem Granit an dem der Holzpfeil eines Aborigines zerbricht. Ich stehe in der Höhle und blicke in das glasklare Wasser welches sich zu einem natürlichen Becken sammelt und wünsche mir aus ganzem Herzen das meine Rasse mehr von dem Urvolk Australiens lernt. Das wir mehr Verständnis aufbringen, zuhören, verstehen und in friedlicher Gemeinsamkeit nebeneinander leben können. Ich halte es für äußerst wichtig Urvölker dieser Erde zu erforschen damit wir durch ihr umfassendes Wissen alle zusammen auf unserer Mutter Erde für ewig leben können und auch unsere Kinder noch wissen was ein grüner Baum ist. Denn eines wird mir immer klarer. Kein Urvolk dieses Planeten hat je dazu beigetragen unsere Lebensplattform zu zerstören bevor der weiße Mann kam und ihnen ihre Kultur geraubt hat.

Klettern sie nicht

„Ist es wahr das die Touristen nicht auf den Berg steigen sollten?“ ,frage ich den Ranger. Er sieht mir in die Augen und sagt: „Ja. Das Wort Tjukurpa steht für unser Gesetz. Es geht dabei um das korrekte Verhalten von Menschen zu Mensch und von Mensch zu Land. Der Uluru lebt. Er ist wie nichts in der Welt einfach tot. Es ist eine lebende Kreatur wie du und ich. Den Weg den die Touristen jetzt nach oben klettern ist der ursprüngliche Aufstieg der Mala-Ahnen als sie am Uluru ankamen. Dieser Weg ist von großer geistiger Bedeutung für uns. Er wird nur für unsere Zeremonien benutzt, ansonsten besteigen wir ihn nicht.“

In der Informationsbroschüre die wir bekommen haben schreibt Tjamiwa: „Das ist ein echt heiliges Ding, das Ihr hier besteigt. Ihr solltet nicht klettern. Das ist nicht richtig für diesen Platz. Es wäre richtig, allem zuzuhören. Allem zuzuhören und verstehen. Warum werden Sie fragen wegzugehen (und den Berg nicht zu besteigen)? Damit sie es verstehen. …damit Sie es verstehen informieren wir Sie. Klettern Sie nicht. Vielleicht werden Sie etwas traurig darüber sein. Aber wir müssen es Ihnen sagen. All die Touristen werden aufatmen und sagen: ‚Aha, verstehe ich. So ist es also. Das ist, was richtig ist.’ So sollte es sein: Nicht klettern.“

„Ist es richtig, dass dein Volk erst 1985 den Uluru von der Regierung zurückbekommen hat?“ „Ja.“ „Und stimmt es, dass die Aborigines den Uluru dann auf 99 Jahre an die Regierung zurück verleasen mussten?“ „Ja.“ „War das ein Kompromiss, um euer Land zurückzubekommen?“ „Ja,“ sagt er worauf wir uns weiter angeregt unterhalten. Ich erzähle ihm von unserer Australiendurchquerung. „Ahhhh, du bist das. Ich habe viele deiner Interviews gehört. Es hat mir sehr gut gefallen.“ „Ich freue mich das es dir gefallen hat,“ sage ich als wir den Parkplatz erreichen und uns verabschieden.

Im Kulturzentrum lese ich davon, dass seit den Achtzigern 29 Menschen während der gefährlichen Besteigung den Tot gefunden haben. Nicht alle sind abgestürzt. Viele haben einen Herzinfarkt oder einen Hitzschlag bekommen. Manche waren nicht fitt genug und sind an Kreislaufzusammenbruch gestorben. Wie auch immer. 29 Tote ist eine beachtliche Zahl die zum Denken anregt.

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